Pädagogische Qualität im Fokus
04. Aug. 2025
Wir als NEO-Familie verstehen pädagogische Qualität als den zentralen Erfolgsfaktor in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Hohe pädagogische Standards fördern nachweislich die Entwicklung der Kinder: So konstatiert das BMFSFJ bereits vor 20 Jahren, dass „pädagogische Qualität … positive Auswirkungen auf den Bildungs- und Entwicklungsstand von Kindern“ hat.
Wesentliche Strukturmerkmale wie ein günstiger Fachkraft‑Kind‑Schlüssel sind dabei grundlegend. Schon und besonders in der frühen Kindheit gilt der Personal- bzw. Erzieher-Kind-Schlüssel als „zentrales Merkmal für die Strukturqualität“ einer Einrichtung. Entsprechend setzt NEO-Familie auf einen überdurchschnittlich hohen Betreuungsschlüssel, damit die Fachkräfte Zeit und Freiraum haben, Bedarfslagen individuell zu begegnen. Dabei wird die Wirksamkeit pädagogischen Handelns allgemein kaum bestritten, im Gegenteil: Wie Freigang herausstellt, geht man davon aus, dass Pädagogik wirkt, und diese angenommene Wirksamkeit bildet „die Existenzberechtigung der Profession“. Wir als NEO-Familie sehen allerdings den reinen Betreuungsschlüssel noch nicht als alleiniges Qualitätsmerkmal, sondern diese Freiheit in der pädagogischen Arbeit muss von den Mitarbeitenden auch aktiv umgesetzt und als Ziel verfolgt werden. Um dieses Ziel in den Vordergrund der täglichen Arbeit stellen zu können haben wir uns bei anderen innovativen Unternehmen inspirieren lassen.
Als Inspirationsquellen für neue Organisationsansätze galten etwa Dark Horse Innovations und Goldeimer. Dark Horse (Hamburg) propagiert ein ganzheitliches Transformationsmodell: „Wir entwickeln Menschen und Kulturen, Strategien und Strukturen, Produkte und Services und Arbeitsumgebungen. Aus diesen vier Triebkräften das richtige System für Eure Organisation zu entwickeln ist die ganze Kunst der Transformation“. Dieses Motto verdeutlicht, dass Kultur, Arbeitsweisen und Strukturen parallel erneuert werden müssen. Ähnlich zukunftsweisend ist Goldeimer, ein Sozialunternehmen aus Hamburg. Goldeimer verkauft nachhaltige Toilettenartikel und investiert alle Gewinne in gemeinnützige Hygiene‑ und Sanitärprojekte. Seit 2022 ist Goldeimer als Steward-Ownership-Unternehmen organisiert, um langfristig unabhängig und gemeinwohlorientiert zu bleiben. Beide Firmen haben ihre Lohnmodelle nach einem Zwei-Komponenten Modell aufgebaut. Ein Grundgehalt sowie eine Gewinnbeteiligung. In der pädagogischen Arbeit müssen jedoch ausgezeichnete pädagogische Arbeit und ökonomische Gewinne nicht korrelieren. Diesem Problem möchten wir entgegen indem wir nicht eine reine Gewinnbeteiligung einführen, sondern ein Bonussystem für ausgezeichnete pädagogische Arbeit.
Wir als NEO Familie legen besonderen Wert darauf, pädagogische Fachkräfte nicht als bloße Versorger oder Bürokraten zu beschäftigen, sondern ihnen echten Gestaltungsspielraum zu geben. Die Fachkräfte sind nicht nur da um die Aufsichtspflicht zu erfüllen, sondern sie müssen als richtige Gestalter agiere. Das ist aus unserer Erfahrung eine große Herausforderung, da die eigene Vorbereitung, das eigene Handeln und die eigene Proffesion permanent überprüft werden müssen, da dies die Basis der Arbeit darstellt. Durch einen hohen Betreuungsschlüssel und schlanke Verwaltungsstrukturen sollen die Fachkräfte möglichst wenig mit Bürokratie belastet werden. Stattdessen können sie proaktiv arbeiten und sich intensiv den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen zuwenden. Diese Ausrichtung entspricht dem Leitgedanken, dass Kinder „Unterstützung zur Potenzialentfaltung“ brauchen, nicht übermäßigen Papierkram. Damit soll das professionelle pädagogische Handeln gestärkt werden, ganz gemäß der Erkenntnis, dass es einer tragfähigen Personalgrundlage bedarf, damit Zuwendung und Bildungsarbeit wirksam sein können.
Gerade im öffentlichen Dienst und in der Jugendhilfe gilt Leistung oft als schwer quantifizierbar. Tatsächlich weist die GEW Hessen darauf hin, dass „für Tätigkeiten in den Bereichen Jugendhilfe und Schule … keine messbaren Leistungskriterien, die auch individuell zuordenbar sind“, existieren. Ähnlich konstatiert Fachliteratur, leistungsgerechte Vergütung setze in der Regel objektiv erfassbare Leistungen voraus. Kritiker befürchten zudem eine Überbetonung kurzfristiger Effekte. Andererseits argumentieren Fachleute, dass sich pädagogische Wirkungen sehr wohl über eindeutige Indikatoren fassen lassen. „Alle Maßnahmen zur Förderung von Arbeitsleistungen setzen irgendeine Form der Messung dieser Leistungen voraus“, mahnt etwa eine tarifliche Analyse – „Wer Leistungsverbesserung fördern will, muss sie zunächst einmal messen“. Im Rahmen der Wirkungsorientierung werden pädagogische Erfolge konkreten Zielgrößen zugeordnet: So nennt Freigang exemplarisch „erfolgreiche Schulabschlüsse Jugendlicher“, „höhere Selbstständigkeit“ oder „bessere soziale Integration“ als mögliche Veränderungen durch pädagogische Interventionen. Auch Qualitätsexperten sehen pädagogische Qualität als bewertbares Konstrukt. Insgesamt lässt sich somit eine Basis schaffen, um pädagogische Leistung über vorab definierte Indikatoren zu erfassen und zu bewerten. Diese Indikatoren sollen allerdings bei uns nicht einfach von der Chefetage heraus vorgegeben werden sondern von den Menschen, welche die Werte des Unternehmens bereits seit längerer Zeit vorleben mitgestaltet werden.
Somit ist unser nächstes Projekt die Erarbeitung einer Matrix, wie gute pädagogische Arbeit gemessen werden kann, um dieses langfristig ans Lohnmodell zu koppeln.
Quellenverzeichnis:
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). (2005). Bildungs- und Betreuungsqualität in Kindertageseinrichtungen – Gutachten zur Evaluation des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG). Berlin: BMFSFJ.
Dark Horse Innovations. (o. J.). Transformation gestalten. Abgerufen am 10. Mai 2025 von https://www.thedarkhorse.de
Freigang, H. (2017). Erfolgskontrolle in der Sozialen Arbeit. Ein Leitfaden zur Wirkungsorientierung. Wiesbaden: Springer VS.
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen. (2013). Stellungnahme zur Einführung leistungsorientierter Bezahlung in pädagogischen Arbeitsfeldern. Frankfurt a. M.: GEW Hessen.
Goldeimer gGmbH. (2022). Steward Ownership bei Goldeimer. Abgerufen am 10. Mai 2025 von https://www.goldeimer.de
Haug, P. & Riedel, B. (Hrsg.). (2018). Qualität in der Kinder- und Jugendhilfe. Grundlagen, Konzepte und Perspektiven. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.
Hüther, G. (2011). Was wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher. Frankfurt a. M.: Fischer.
Kuhlmann, C. & Leiber, S. (2013). Anreizsysteme im öffentlichen Dienst: Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen. In: Zeitschrift für Personalforschung, 27(3), 223–244.
Rauschenbach, T. (2015). Pädagogische Qualität in der Kinder- und Jugendhilfe – Anspruch und Wirklichkeit. In: DJI Impulse, 111, 4–9.
Sachverständigenkommission Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. (2005). Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule. Bundestagsdrucksache 15/6014. Berlin.